1/07/2016

The Revenant (2016 - GERMAN ONLY)

- Filmische Belastungsprobe

The Revenant ist eine Belastungsprobe für den Zuschauer. Vom ersten bis zum letzten Moment eine viszerale filmische Erfahrung, ein rasanter, kompromissloser Survival-Trip, der in seiner Inszenierung an Mel Gibsons "Apocalypto" erinnert. Zuschauer sollten sich warm anziehen!

In der eisigen Wildnis im Nordamerika der 1820er Jahre zeichnet der Film eine Welt bestimmt von roher Gewalt. So wunderschön die Natur sein mag, so ist sie gleichsam tödlich. Überleben scheint unter diesen extremen Bedingungen kaum vorstellbar. Die Naturgewalt wird hier zu einem omnipräsenten Charakter, die im Kinosaal spürbar wird.Durch die raue Landschaft kämpfen sich einige Trapper. Sie sind auf der Jagd nach Fleisch und Fellen. Der Kundschafter Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) streift mit seinem Sohn durch den Wald als das Lager von Indianern überfallen wird. Das Chaos der Schlacht wird durch die Kamera in perfekter Choreographie festgehalten und platziert den Zuschauer hilflos in der Mitte des Geschehens. Die Kamera bewegt sich wie ein eigener Akteur durch die Menge, schwingt sich auf Pferde im vollem Galopp oder taucht ab ins kalte Wasser eines Flusses. Mal bleibt sie nah an den Figuren, mal schaut sie orientierungslos umher. Wie schon bei "Birdman" wird oft über lange Zeit auf Schnitte verzichtet. Das brutale Gemetzel wird fast zu einem poetischen Tanz.
Nur wenige der Männer können fliehen. Es beginnt eine Odysee durch dichte Wälder, reißende Flüsse und über schneebedeckte Berge. Es zählt nur noch eins: Überleben. Im Angesicht des Todes beginnt die Gemeinschaft bald zu bröckeln...

Alejandro González Iñárritu schafft hier zusammen mit Kameramann Emmanuel Lubezki ein archaisches Epos, das teilweise unglaubliche Szenen bietet, die man so vielleicht noch nie im Kino gesehen hat. Insbesondere ein Kampf bis aufs Blut mit einem ausgewachsenen Grizzlybären bleibt als atemberaubendes Set-Piece in Erinnerung.
Sein Mensch-gegen-Natur Rachefeldzug greift dabei einige von Iñárritus gängigsten Themen wie Verlust und Verrat auf, kann aber auch als Statement zum Klimawandel gelesen werden. Das einzige, was in dieser Welt, in der jeder gegen jeden kämpft und wo gut und böse miteinander verschmelzen, noch von Wert ist, scheint dabei die Familie zu sein. Aber wie in seinen anderen Filmen sind die zwischenmenschlichen Beziehungen von Natur aus flüchtig und zerbrechlich.
Was vor allem verblüfft, ist auch, wie radikal Iñárritu mit seiner zweieinhalbstündigen Tour de Force die Grenzen des Mainstreamkinos auslotet. Denn eigentlich lädt er hier mit Hilfe des vielleicht größten Schauspielstars der Welt zu einem künstlerisch-angehauchten 135 Millionen Dollar teuren Genrefilm ein, der nicht nur aufgrund seiner fast grotesken Gewaltdarstellungen die Ausdauer der Zuschauer fordert. Die Preview-Vorstellung war brechend voll - von jung bis alt. Und schaute man sich um, endeckte man schnell den ein oder anderen, der hier wohl mit falschen Vorstellungen ins Kino gegangen war. Über große Zeitspannen kommt der Film fast ohne Dialog aus und testet ausgedehnt die Belastbarkeit des menschlichen Körpers. Dabei wird aber auch die menschliche Geduld strapaziert. Insbesondere wenn Iñárritu wie so oft zusätzlich überirrdische Motive einführt und sich in unnötigen esoterischen Metaphern verliert. Die zweite Hälfte des Films kriecht im wahrsten Sinne des Wortes oft dahin und kann nicht mehr an die schiere Extase der ersten Stunde anknüpfen. Es ist ein anstrengender filmischer Exzess am Limit und darüber hinaus. Die Story ist für die Laufzeit letztlich doch etwas zu dünn und der Showdown eher ein Letdown.
Nichtsdestotrotz ist es die Kühnheit des Spagats zwischen wunderschöner, perfektionierter Inszenierung und rauem, düsterem Existenzialismus, der große Teile des Films zu einem faszinierenden, einzigartigen Erlebnis machen, bei dem eine Frage mehr als einmal aufkommt: wie haben die das nur gedreht?

TRAILER:
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